Alfred Znamierowski

Anmerkungen zum Flaggenbuch von 1939

die Flaggen Polens und der Freien Stadt Danzig betreffend

Das 1939 vom Oberkommando der deutschen Kriegsmarine veröffentlichte FLAGGEN-BUCH, ein monumentales Werk Dr.Ottfried Neubecker's, ist sowohl eines der bedeutendsten, als auch seltensten Bücher in der Geschichte der Flaggenkunde. Es gibt die 1939 in der internationalen Schiffahrt gebräuchlichen Flaggen nahezu vollständig wieder. Die sehr genauen Abbildungen von Wappen und Flaggen aller Länder der Welt gehen auf offizielle Beschreibungen bzw. auf von Regierungsstellen bereitgestellte Daten zurück.

Die Arbeit an dem Buch wurde am 1. Dezember 1939 abgeschlossen und das Material für 200 Farbtafeln an die Reichsdruckerei übergeben. Als das fertige Buch die Druckerei verließ, fehlten 4 Seiten aus dem ursprünglichen Manuskript: drei Seiten, die polnische Flaggen enthielten und eine Seite mit den Flaggen der Freien Stadt Danzig. Beide politischen Einheiten waren von den deutschen Armeen einige Wochen vorher überrannt worden. Der Beschluß, die vier Seieten herauszunehmen, muß jedoch in letzter Minute gefaßt worden sein, denn die Nummerierung der Seiten war nicht geändert worden; die Seiten 43 sowie 142-144 fehlten einfach.

Trotzdem gab es zumindest ein vollständiges Exemplar des Flaggenbuches. Es gehörte dem Autor Dr.Ottfried Neubecker. Ich hatte das Glück ein Freund und Mitarbeiter Dr.Neubeckers zu sein und habe Hunderte von Stunden damit verbracht, seine zahlreichen Ordner zu durchforsten und Fotos und Dias von den wichtigsten Einzelheiten seiner Sammlung zu machen. In der Zeit machte ich sowohl Fotos wie auch Dias von allen Originalen der Flaggentafeln aus Neubeckers Exemplar des Flaggenbuches.

Dr. Neubeckers Exemplar des Flaggenbuches enthält nicht nur alle Seiten des urspünglichen Werkes sondern auch alle Farbtafeln, die nachträglich bis 1945 veröffentlicht wurden. Er hörte dort nicht auf, sondern fügte alle neuen Flaggen hinzu, die er in vielen Fällen selbst zeichnete. Es ist bedauerlich, daß die Herausgeber des Nachdrucks entweder von der Existenz dieses Exemplars nichts wußten, oder nicht versuchten Einblick in dieses zu nehmen, um sicher zu stellen, daß alle zwischen 1939 und 1945 geführten Flaggen im Nachdruck korrekt wiedergegeben werden. Sie haben jedoch ausgezeichnete Arbeit geleistet, indem sie uns eines der wertvollsten Bücher für unsere Bibliotheken beschert haben. Wenn wir es aber als Quellenmaterial benutzen wollen, müssen wir wissen, daß es einige Fehler enthält.

Ich will mit den drei Tafeln mit den polnischen Flaggen beginnen. Keine von ihnen ist ein Nachdruck der urspünglichen Tafeln. Die erste Tafel mit der Seitenzahl 142 zeigt nicht die Vorkriegs-Wappen und Flaggen sondern die, die nach 1945 in Gebrauch waren. Der Herausgeber bemerkte den Fehler und hat eine lose Seite hinzugefügt, allerdings mit derselben groben Zeichnung und der hinzugefügten Krone auf dem Kopf des Adlers. Leider entspricht die Form der Krone nicht der des amtlichen Wappens. Das trifft auch für die polnische Gösch zu.Wie bereits erwähnt, ergänzte Dr.Neubecker sein Buch ständig. Hier hatte er die Wappen durch ein Überpinseln der Krone mit roter Farbe geändert.

Die nächste Tafel mit der Nummer 143 unterscheidet sich vom Original noch mehr als die vorhergehende. Sie zeigt die Flaggen der Kriegsschiffe in den Binnengewässern nicht richtig und anstelle der Ballonflagge den Stander mit der irrtümlichen Bezeichnung Kystpatrulje ( Küstenwache auf Dänisch). Die ursprüngliche Tafel enthält korrekte Abbildungen. Es beweist, daß wir alle Fehler machen können. Denn vor 1938 waren diese Flaggen korrekt. Im Regierungsblatt vom 28.Januar 1938 wurde das Dekret des Polnischen Präsidenten vom 24.November 1937 veröffentlicht, das eine Änderung der drei im Flaggenbuch gezeigten Flaggen beinhaltete. Die neue Flagge der Kriegsschiffe in Binnengewässern hatte das Seitenverhältnis von 10 zu 21, war weiß - rot gestreift, mit dem Wappen auf der Mitte des weißen Streifens und zwei gekreuzten schwarzen Ankern auf der Liekseite des roten Streifens. Die neue Flagge der Militärflughäfen ersetzte sowohl die frühere Flagge derselben als auch die Ballonflagge. Sie war ebenfalls weiß über rot gestreift, mit dem Wappen auf der Mitte des weißen Streifens und dem Flugzeugkennzeichen auf dem roten Streifen an der Liek. Ich möchte auch noch darauf hinweisen, daß es nicht möglich ist, genaue Wiedergaben der polnischen Vorkriegsflaggen durch Kopieren der Abbildungen aus dem Flaggenbuch zu erreichen, denn das Staatswappen wurde auf den weißen Streifen gedruckt und der Schild hatte eine schwarze Kontur, die in dem Buch fehlt.

Weitere Fehler enthält die dritte Tafel mit polnischen Flaggen im Nachdruck. Der dritte Wimpel sollte auf der Flugseite blau sein und nicht grün - rot. Beim vierten Wimpel sollte es gelb statt gelb - rot sein. Im Originalexemplar sind die Wimpel richtig dargestellt.

Eine weitere Seite, die in letzter Minute aus dem Flaggenbuch zurückgezogen wurde, war die Seite 43 mit den Flaggen der Freien Stadt Danzig. Auch in diesem Fall zeigt der Nachdruck nicht die 1939 angefertigte Tafel. Die Umrißlinien der Löwen, der Krone und des Posthorns sind schwarz wiedergegeben, während sie im Original braun waren. Der Zollstander ist mit einem weißen Streifen am Liek dargestellt; ein solcher ist weder im Original noch bei heutigen Standern zu finden. Auch hier läßt sich feststellen, daß der Zeichner den offiziellen Vorbildern der Flaggen nicht genau gefolgt ist, denn dort waren waren die Kreuze schwarz umrandet und die goldene Krone und das Posthorn braun schattiert.

Dem Nachdruck ist ein loses Blatt mit dem Emblem und der Flagge der Hirdmarine, der norwegischen Marine des Quisling Regimes, beigefügt. Diese Flaggen wurden im September 1942 angeordnet. Hier sind es zwei kleinere Fehler: Ring und Kreuz des Emblems sollten dunkelgelb sein und der kleine Stern auf der Flagge des Hirdmarineführers sollte nur vier Strahlen haben. So sind sie in Neubeckers Unterlagen dargestellt, die sich genau an die offiziellen Muster halten. Aus der zugehörigen Beschreibung ist zu entnehmen, daß Gold als Gelb wiedergegeben werden soll. Gelb war auch die Farbe auf dem Tuch der tatsächlich geführten Flaggen. Die Herausgeber des Nachdrucks haben ausgiebig Gold und Silber auf vielen Tafeln benutzt, während im Original diese Farben nicht erscheinen. Silber wird durch helles Grau und Gold in den meisten Fällen durch dunkles Gelb dargestellt.

In Neubeckers Exemplar gibt es aber auch Abbildungen, die im Nachdruck fehlen. Ich habe 29 ungarische, kroatische und bulgarische Flaggen, Wimpel und Stander gefunden. Übrigens befindet sich Neubeckers Exemplar des Flaggenbuches heute im Besitz des Flag Research Centers.


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