Klaus – Peter Merta, Deutsches Historisches Museum Berlin, Zeughaus

 

Aus der Geschichte einer Fahnensammlung

In den ständigen Ausstellungen und in den wechselnden Sonderausstellungen der Museen Berlins kann sich der Besucher mit einer Vielzahl einmaliger und herausragender, besonderer und alltäglicher historischer Realien unterschiedlichster Art vertraut machen. Die meisten Museen blicken selbst auf eine lange Entstehungs - und Entwicklungsgeschichte zurück, so dass im Laufe von Jahrzehnten riesige Bestände und somit Sammlungen von unschätzbaren historischen und kulturellen Werten zusammengetragen worden sind. Daraus kann jedoch nur ein geringer Teil der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Begründet ist dieser Umstand in der unterschiedlichen Art und differenzierten Aufgabenstellung, in der konzeptionellen Ausrichtung des jeweiligen Museums sowie in der inhaltlichen Themenwahl der Ausstellungen. Abhängig ist die Anzahl der zu sehenden Objekte außerdem von der zur Verfügung stehenden Ausstellungsfläche. Die als kulturelles Erbe aus der Vergangenheit überkommenen Bestände werden in den meisten Museen durch Neuzugänge erweitert und fortgeführt, so dass die Sammlungen inzwischen selbst eine Geschichte aufweisen. Die Sammlungsgeschichte war und ist vor allem an Geschichtsmuseen in besonderem Maße abhängig von der politischen Ausrichtung gesellschaftlicher Entwicklungsetappen und somit eng verbunden mit den Höhen und Tiefen der deutschen Geschichte. Das trifft vor allem auf die Bestände des Berliner Zeughauses zu, die im ältesten Bauwerk der traditionsreichen Straße Unter den Linden aufbewahrt werden. Das in diesem Barockbau seit dem 3. Oktober 1990 etablierte Deutsche Historische Museum (DHM) beherbergt in seinen Magazinen fast 2.500 Fahnen und Standarten, Flaggen und Wimpel. Damit handelt es sich um die zahlenmäßig umfangreichste Fahnensammlung in einem staatlichen Museum in Deutschland. Die nachfolgenden Ausführungen sollen die Leser des „Flaggenkuriers“ mit einigen Aspekten zum Werdegang und mit der inhaltlichen Ausrichtung dieser Sammlung bekannt machen.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts hatte die Entwicklung von technischen Neuerungen verbesserte Handwerks – und Produktionsmethoden sowie neue Konstruktionen von Handfeuerwaffen und Geschützrohren zur Folge. Vor allem Manufakturen waren in der Lage diese Produkte massenhaft über einen langen Zeitraum kontinuierlich mit gleichbleibender Qualität herzustellen. Mit der Ausrichtung der feudalen Herrschaften zum Absolutismus entstanden stehende Heere, die auf dieser Grundlage ausgestattet und versorgt werden konnten. Bisher bestehende fürstliche Rüstkammern und Arsenale reichten zur Aufnahme und Betreuung neben Tausenden Pistolen und Gewehren vor allem für die Geschütze nicht mehr aus. Es entstanden Zeughäuser, die über den Verwendungszweck als reine Waffenarsenale hinausgingen. Mit ihrer zentralen Lage und in ihrer Architektur spiegeln sie den Repräsentations – und Machtanspruch der Landesherren wider. Der von bedeutenden Architekten seiner Zeit (1) geschaffene Zeughausbau der Residenzstadt Berlin, zu dem unter dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich (III.) am 28. Mai 1695 der Grundstein gelegt worden war, ist ein beredtes Zeugnis dafür. So sind der künstlerische Bauschmuck und die Bauplastiken reichhaltig mit barocken Trophäendarstellungen ausgestattet. Gerade die gestalterische Verwendung von Feldzeichen in Form von Fahnen und Standarten steht dabei immer wieder im Mittelpunkt. Ein in lateinischer Sprache gehaltener Spruch über dem Porträtbildnis des ersten preußischen Königs am Portal lässt unmissverständlich den Zweck des Gebäudes erkenne: „Den Waffentaten zur Anerkennung, den Feinden zum Schrecken, seinen Völkern und Bundesgenossen zum Schutz, hat Friedrich I., der erhabene und unbesiegte König der Preußen, dieses Zeughaus zur Bergung aller Kriegswerkzeuge sowie kriegerischer Beute und Trophäen von Grund auf erbauen lassen im Jahre 1706“. (2) Es war üblich, erobertes und erbeutetes Kriegsgerät aller Art in die heimatlichen Arsenale zu verbringen, um es ggf. für eigene Zwecke verwenden zu können. Den Beutestücken, denen ein Trophäencharakter beigemessen wird, kam in erster Linie eine ideell- moralische Bedeutung zu. Dem Feind genommene Pauken und Trommeln, Fanfaren und Trompeten, Paukenbehänge und Feldzeichen galten infolge ihres Symbol, - Repräsentations – und Statuswertes als Zeichen des militärischen Erfolges schlechthin. Sie dokumentierten Stärke und Siege des Heeres und dienten zur Glorifizierung der absoluten Macht des Landesherren. Ohne an dieser Stelle auf weitere Hintergründe und Zusammenhänge einzugehen, sei an Inhalt und Bedeutung der Begriffe Fahneneid, Fahnenweihe, Fahnenagelung und Fahnenflucht erinnert. Ging einem Truppenteil z.B. durch eigenes Verschulden die verliehene Fahne oder Standarte verloren, so war es Usus, dass er der Auflösung verfiel.

Eroberte und erbeutete Fahnen hatten von allen Trophäen einen besonderen Stellenwert für den Sieger. Es verwundert also nicht, dass auch das Zeughaus als der Platz bestimmt wurde, an dem siegreich erworbene Feldzeichen ihre Aufstellung finden sollten. Vor der Fertigstellung des Zeughauses im Jahre 1706 brachte man Trophäen in der Kurfürstlichen bzw. Königlichen Rüstkammer und in den Garnisonkirchen (Berlin und Potsdam) unter. Wenn auch das Zeughaus als zentraler Ort für Trophäen gedacht war, so vergingen doch noch Jahre, bis erobertes und erbeutetes Trophäengut dort seine Aufstellung fand. Erst 1746 fasste man nach einer Anordnung König Friedrichs II. Fahnen und Standarten u.a. aus den Schlachten von Fehrbellin, Qudenarde und Malplaqued im Zeughaus zusammen. Bei der kurzfristigen Besetzung Berlins durch die Russen im Jahr 1760 während des Siebenjährigen Krieges plünderten sie auch das Zeughaus und verbrachten 277 Fahnen und 75 Standarten nach St. Petersburg (3). Die Feldzeichenbeute der drei Schlesischen Kriege blieb davon verschont, weil diese auf Entschluss des Königs gleich in die Festungen Spanrau und Magdeburg gelangte. 1769 wurden dann alle Fahnentrophäen in der Garnisonkirche vereint.

Nach der Niederlage des preußischen Heeres in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt von 1806 bemächtigten sich die Franzosen nach dem Einzug in Berlin der etwa 500 Feldzeichen aus der Garnisonkirche und aus dem Zeughaus. Als dann die Verbündeten 1814 vor Paris standen, ließ der Gouverneur von Paris eben diese Fahnen und Standarten verbrennen bzw. einen Teil in der Seine versenken. Heute erinnern aus dem damaligen Zeughausbestand nur noch zwei nicht restaurierte Fragmente an die einstmals vorhandenen Trophäen der Schlesischen Kriege. Die beiden österreichischen Fahnenreste stammen aus der Schlacht von Hohenfriedberg.

Gebhard Leberecht von Blücher, der vom König Friedrich Wilhelm III. den Auftrag hatte, Kulturgüter, die nach persönlicher Auswahl und Entscheidung Kaiser Napoleons von Preußen nach Frankreich verbracht worden waren, aufzuspüren und zurückzuholen (4), gab seinerseits Veranlassung, französische Zeughäuser und Lager zu sondieren und ließ von dort Hunderte an Fahnen und Standarten nach Preußen schaffen. Dazu zählen Feldzeichen aus der unmittelbaren Revolutionszeit von 1789, aus der 1. Republik und aus der Konsulatszeit sowie aus dem 1. Kaiserreich. Als historisch bedeutendste Fahne ist die der Stadt Varennes (5) zu nennen. Neben dieser restaurierten haben etwa 150 andere Fahnen aus der sogenannten „Blücherbeute“ die Zeitläufe überstanden und sind noch heute im Zeughaus vorhanden. Von dem Fahnengut, dass während der Befreiungskriege durch unmittelbare Kampfhandlungen in preußische Hände gefallen ist, können nur noch ein französischer Adler vom 151. Linieninfanterie-Regiment und eine französische Fahne vom 8. Jäger-Regiment zu Pferde vorgewiesen werden (6). Die Trophäen aus der Zeit von 1813 bis 1815 und aus der „Blücherbeute“ gelangten auf Veranlassung König Friedrich Wilhelms III. 1821 in das Zeughaus. Patriotismus und ein gestärktes Bewusstsein durch die Befreiungskriege führten auch im Zeughaus zu einer Umgestaltung, die von der bisherigen bloßen Aufhängung der Fahnen abwich. 1823/24 kam es dann erstmalig in extra abgetrennten Räumlichkeiten zur Bildung einer Museumsabteilung innerhalb des nach wie vor als Arsenal dienenden Zeughauses. Zur Gestaltung sind die aus Frankreich stammenden Feldzeichen als Ausschmückung verwendet worden. Kein geringerer als der Baumeister Karl Friedrich Schinkel erhielt zur Ausgestaltung der ursprünglich auf einer Anregung Scharnhorsts beruhenden Königlichen Waffen- und Modellsammlung den Auftrag. Für die Raumaufteilung, die Vitrinen und die Fahnendrapierungen lieferte Schinkel die Entwürfe. Auf bzw. über den Schränken und an den Wänden wurden die Beutefahnen in reichhaltiger Anordnung präsentiert (Abb. 1 – 3).

Aus den Kampfhandlungen und den Kriegen von 1848/49, 1864, 1866 und 1870/71 kam ebenfalls Fahnengut in umfangreicher Anzahl in das Zeughaus. Ohne auf die Umstände der Eroberung dieser Fahnen näher einzugehen, seien stellvertretend die Danebrogs (7) von 1864 genannt. Nachdem nur die bei den Kämpfen auf den Düppeler Schanzen 32 eroberten Danebrogs zunächst in einer Parade in Berlin dem König Wilhelm I. vorgeführt worden sind, erfolgte eine Aufteilung auf die Garnisonkirche in Potsdam und auf das Zeughaus. Nach einer Zusammenlegung aller dänischen Feldzeichen besaß das Zeughaus insgesamt 71 Stück, von denen noch 37 im DHM vorhanden sind (Abb. 4). Um den Gegner Österreich nach dem siegreichen Feldzug von 1866 nicht zu sehr einer Demütigung zu unterziehen, verzichtete der König Wilhelm I. Auf einer Paradevorführung der Beute und im Zeughaus begnügte man sich mit einer eher zurückhaltenden und bescheidenen Präsentation.

Stießen die Zeughäuser mit ihren Unterbringungsmöglichkeiten gegenüber den modernen Waffen an ihre Kapazitätsgrenzen, so nahmen immer mehr Räumlichkeiten einen musealen Charakter an. Angesichts der militärischen Erfordernisse entsprach eine Lagerhaltung von Waffen aus mehreren Jahrhunderten verbunden mit einer Trophäenhaltung nicht mehr den Anforderungen aus der Praxis. Nach 1866 vollzog sich in einem Prozess von etwa 25 Jahren die Umwandlung des Gebäudes von einem Waffendepot mit Trophäencharakter zur unmittelbaren militärischen Alltagsnutzung über das Stadium einer Artilleriesammlung zu einem Waffenmuseum mit Ruhmeshalle bis hin zu einem Heeresmuseum. Zunächst ging es dem Kriegsministerium nur darum, die historische und technische Entwicklung von Handfeuerwaffen und von der Artillerie zu dokumentieren. Um dieses Ziel umfassend zu erreichen, ergingen an Museen und Zeughäuser in Preußen Anweisungen zu Objektabgaben. So musste das Zeughaus der Stadt Frankfurt a.M. 1868 neben Waffen und Musikinstrumenten auch 45 Fahnen und Standarten nach Berlin überweisen. Unter den heute nicht mehr existierenden Panieren waren solche von 1594 (!), 1657, 1702, 1740 und 1745. Die Fahne des Dragoner-Regiments von Derfflinger (Kurbrandenburg 1680 – 1695) und drei Standarten des Regiments zu Pferde von Treffenfeld (Kurbrandenburg 1677) gelangten aus Kirchen in das Zeughaus und zählen heute zu den kultur- und militärhistorisch wertvollsten Stücken der Fahnensammlung (Abb. 5)

Die konkrete Umgestaltung zu einem reinen Museum widerfuhr dem Zeughaus in den Jahren 1877 bis 1883. Von nun an stand es als Waffenmuseum mit Ruhmeshalle, Feldherrenhalle und Herrscherhalle der allgemeinen Öffentlichkeit ständig zur Verfügung. Fahnengut befand sich in zusammengestellten Arrangements an den Pfeilern und Wänden der Ost-, West- und Südflügel des Obergeschosses und in Einzelaufhängung von den Decken beider Geschosse. Alleine im Obergeschoss hingen über 1.000 Fahnen und Standarten. Besonderes Augenmerk legte man auf die Präsentation der Fahnenbeute aus dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71. Erwähnt sei hier z.B. mit 56 Feldzeichen die „Metzbeute“, die nach der Kapitulation der Stadtfestung Metz in preußische Hände gelangten. Die Beutefahnen aus diesem Krieg hängte man zunächst im inzwischen glasüberdachten Schlüterhof auf, in dem auch die französischen Beutegeschütze standen. Für die kommenden Jahrzehnte spielten die französischen Feldzeichen in den Ausstellungen eine zentrale Rolle. In aufwendigen Gestaltungen dienten sie zur Glorifizierung der Siege und wurden propagandistisch genutzt.

Nach der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms II. vollzog sich unter seiner persönlichen Einflussnahme der Übergang des Zeughauses zu einem der modernsten Heeresmuseen in damaliger Zeit. „Das Zeughaus war in der Wilhelminischen Zeit zu einer Schatzkammer mit Realien zur allgemeinen und Militärgeschichte, zur Technik-, Kultur- und Kunstgeschichte angewachsen.“(8) Wilhelm II. zeigte nicht nur allgemeines Interesse an der Museumslandschaft, indem er Ausstellungen eröffnete und sich und seinen Familienangehörigen bedeutende Neuerwerbungen vorlegen ließ, sondern er sorgte für Tauschmöglichkeiten mit dem Ausland und trat mit Geldspenden aus seiner „Privatschatulle“ als Förderer der Sammlungen in Erscheinung. Im Unterschied zu seinen Vorgängern benutzte er das Zeughaus als Stätte brandenburgisch-preußischer Militärtradition für öffentliche Auftritte z.B. zu Paroleausgaben und Neujahrsansprachen. Die von einstmaligen Siegen und Erfolgen kündenden Fahnentrophäen mussten von Zeughausmitarbeitern in einer Auswahl als Kulisse für derartige Veranstaltungen extra in einer Art von Inszenierungen zusammengestellt werden. In der Regel fand das im mit den berühmten Masken sterbender Krieger ausgeschmückten Innenhof, dem Schlüterhof, statt. Wilhelm II. benutzte das Trophäengut bewusst als Propaganda-mittel.

In das Zeughaus gelangte jedoch nicht nur das Fahnengut, das in unzähligen Schlachten und Gefechten genommen worden war, sondern es war auch der zentrale Aufbewahrungsort für die sogenannten niedergelegten (9) Fahnen und Standarten brandenburgisch-preußischer Truppenteile. Altersbedingter bzw. kriegsbedingter Materialverschleiß oder auch strukturelle Veränderungen im Heerwesen führten zur Stiftung und Verleihung neuer Fahnen. Nach einem Thronwechsel kam es häufig zur Schaffung neuer Fahnenmuster, wobei Namenszüge und Devisen den Intentionen des neuen Herrschers angepasst wurden. In jedem Falle erfolgte die Niederlegung der alten Feldzeichenmuster im Zeughaus.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich im Zeughaus ein Fahnenbestand angesammelt, der mehrere Tausend Stücke umfasste. Die genaue Anzahl lässt sich heute nicht mehr nachweisen, da ein Teil der Archivunterlagen und der Inventare durch Bombentreffer des Gebäudes verloren gegangen ist. Zwei erhaltene Hauptbestandsbücher beinhalten alleine 1.279 Fahneneinträge für Brandenburg-Preußen (10).

Während des I. und II. Weltkrieges waren die Neuzugänge an Beutegut gering, da Truppenfahnen im Stellungskrieg und bei den Materialschlachten eine untergeordnete Rolle spielten. Dennoch wurden die Trophäen sofort der Öffentlichkeit im Schlüterhof vorgeführt (Abb. 6)

Infolge der Abwicklung preußischer Regimenter und Bataillone nach 1918 legte man die Fahnen und Standarten ebenfalls im Zeughaus nieder. Der gesamte Fahnenbestand des Zeughauses wurde komplett in den Ausstellungen gezeigt. Eine Magazinierung gab es nicht. Die Fahnen hingen entweder einzeln von den Decken des Erd-und Obergeschosses herab oder sie waren in drapierter Form zu mehreren in Stellagen an den Pfeilern, an den Wänden und auf den Vitrinenschränken zusammengefasst. Die Tücher litten unter einer solchen Unterbringung im Laufe der Jahrzehnte erheblich. Klimaschwankungen, Tageslichteinwirkungen und Staub setzten insbesondere der Seide, dem Damast und den Malereien zu. Stickereien und Applikationen lösten sich. Restaurierungsmethoden auf wissenschaftlicher Grundlage gab es damals noch nicht. Neben einem Vernähen von Rissen, Stopfen von Löchern nach Hausfrauenart wurde ein Verkleben angewandt. Eine gängige Restaurierungsmethode glaubte man schließlich in der Netzung gefunden zu haben. Der militär – und der kulturhistorischen Bedeutung des Fahnengutes waren sich die Zeughausmitarbeiter durchaus bewusst. So kam der seit 1895 bis 1911 agierende Direktor (11) des Zeughauses, Edgar von Ubisch, auf die Idee, die Fahnenblätter mit der empfindlichen Seite zwischen zwei Netze zu bringen (12). Diese Methode ist als beispielgebend von anderen Ländern übernommen worden. Noch gibt es in vielen Museen und Ausstellungen Fahnen, die aus damaliger Zeit genetzt sind. Zwar halten das Ober – und Unternetz die Seide und die Stickereien zusammen, führen aber auch durch die Vernähung und Verknotung sowie durch das Netzraster zu Zerstörungen am Material, an den Applikationen und an der Malerei, so dass diese Methode nach 1945 in beiden deutschen Staaten nicht mehr zur Anwendung kam.

In der Zeit des Dritten Reiches bekam das Zeughaus als Direktor wieder eine Militärperson. Konteradmiral Hermann Lorey legte größten Wert auf eine umfassende Darstellung des Ersten Weltkrieges, die während der Zeit der Weimarer Republik keine Berücksichtigung fand. Alte Ausstellungsgestaltungen wurden zu diesem Zweck teilweise verändert. Die bisherigen Fahnenzusammenballungen wurden zurückgenommen. Erstmalig präsentierte man Fahnen in  thematischen Sonderausstellungen zu Ereignissen des Ersten Weltkrieges. In der Nähe des Zeughauses wurde in der Johannisstraße ein Gebäude angemietet, dass eine Studiensammlung zur Entwicklung der Waffen und Uniformierung aufnehmen sollte. Die wertvollsten und historisch aussagekräftigsten Fahnen wählte man als Ergänzung aus. Ein paar Jahre später sollten die dort eingelagerten Objekte ein Opfer von Bombenangriffen werden. Auch Hunderte von Fahnen gingen dabei verloren (Abb. 7).

Noch während des Zweiten Weltkrieges erfolgte eine teilweise vorbeugende luftschutzmäßige Bergung von Kulturgut aus dem alten Zeughausgebäude. Dem Zeughaus waren unzählige Bergungsorte zugewiesen worden. Damit begann auch gleichzeitig die Odyssee für die 500.000 Objekte umfassende Sammlung. Das Zeughaus war das größte Heeresmuseum in Europa und hatte allerdings auch nach 1945 die größten Kriegverluste aller Berliner Museen zu verzeichnen. Als im Jahre 1952 durch Regierungsbeschluss der DDR das Museum für Deutsche Geschichte (MfdG) im Zeughaus etabliert wurde, waren noch nicht einmal ganze 4.950 Zeughausobjekte vorhanden. Auslagerungsorte, in denen sich u.a. Feldzeichen befanden, waren der Flakturm im Zoologischen Garten, Graudenz, Golzow, Burg Stargard, Merkers in der Rhön, Schönebeck an der Elbe. Bei einem Brand des Schlosses in Golzow gingen alleine 1.300 Fahnen französischer und preußischer, polnischer und russischer Provenienz verloren.  

Die Sachen aus dem Flakbunker und aus Schönebeck wurden in die Sowjetunion abtransportiert. Preußische Truppenfahnen, die in Merkers lagerten, stellten die US-Amerikaner sicher. Von der Sowjetunion gelangten später Truppenfahnen der Zeit vor 1918 in die DDR. Darunter waren z.B. Fahnen und Standarten der beiden mecklenburgischen Großherzogtümer und auch solche aus Sachsen-Weimar. Die Feldzeichen des preußischen Garde-Korps und des III. (Brandenburgischen) Armeekorps gaben die Amerikaner in den fünfziger Jahren frei. Sie hatten eine Anbindung an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gefunden, die sie an das Wehrgeschichtliche Museum nach Rastatt ausgeliehen hat. In einer ersten Lieferung von 173 Positionen erfolgte im vorigen Jahr die Überführung ins Zeughaus. Zu diesen Fahnen zählen die beiden aus der Hauptkadettenanstalt, die der Schlossgarde-Kompanie oder die vom Lehr-Infanterie-Bataillon.

Bereits vor der Gründung des Museums für Deutsche Geschichte erfasste eine Arbeitsgruppe im Jahre 1951 noch vorhandenes Zeughausgut. Unter den bereits erwähnten 4.950 Gegenständen nennt die Liste 703 Fahnen und Standarten. Dazu zählen die bereits genannten der Stadt Varennes, die Fahne vom Derfflinger-Regiment und die vom Treffenfeld-Regiment. Bei allen diesen Fahnen handelt es sich um militärische aus Preußen, Frankreich, Dänemark usw.. Z. T. haben sich durch die Auslagerungen und Transporte ab 1943 erhebliche Schäden eingestellt. Von der Textilrestaurierung musste in den fünfziger und sechziger Jahren eine erheblicher Arbeitsaufwand zur ausstellungswürdigen Bewahrung des Kulturgutes aufgebracht werden.

Entsprechend der Aufgabenstellung des MfDG als nationales Geschichtsmuseum der DDR, das ein marxistisches Geschichtsbild zu vermitteln hatte, war auch die Sammlungskonzeption ausgerichtet. Was den Fahnenbestand anbelangt, so wurde versucht, Fahnen und Flaggen zur Geschichte der Arbeiterbewegung zusammenzutragen. So konnten eine ganze Reihe von Fahnen der SPD und vom Reichsbanner „Schwarz-Rot-Gold“, der KPD und des RFB sowie anderer Organisationen, von Sport- und Kriegervereinen erworben werden. Stellvertretend soll die Fahne vom Vereinigungs-parteitag von SPD und KPD zur SED genannt sein. Als besonders wertvoll gelten sieben Fahnen aus der Zeit von 1848 und 1849. Dazu gehört auch eine Kriegs-und Handelsflagge. Zur politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der DDR sind ebenfalls Fahnen, Flaggen und Wimpel zusammengetragen worden, die inzwischen den zahlenmäßig größten Teil des Fahnenbestandes ausmachen. Damit ist nach 1945 eine Fahnensammlung aufgebaut worden, die weit über den bisherigen militärischen Rahmen mit Trophäencharakter hinausgeht. Aus praktischen Gründen sind sowohl die zivilen als auch die militärischen Fahnen als ein Bestand zusammengefasst und gehören zur Militaria-Sammlung. Diese Sammlung umfasst Waffen, Uniformen, Orden, Fahnen und Militaria-Graphik. Die insgesamt 50.000 Sachzeugen werden von zwei Sammlungsleitern wissenschaftlich betreut. Für die Benutzbarkeit und Unterbringung zeichnet ein Depotwart verantwortlich.

Die Fahnensammlung war von etwa 1960 bis 1996 in einem eigens dafür eingerichteten Magazin untergebracht. Entweder gab es eine Aufbewahrung am Schaft in gerollter Form in Ständern stehend oder die Tücher lagen in großen Schüben getrennt vom Schaft. Diese Lagerung erfolgte vor allen Dingen bei den Doppelblattobjekten aus Damast mit Stickereien und Applikationen oder bei bemalter Seide. Der Bestand war als Studiensammlung Forschern und Sammlern nach vorheriger Anmeldung zugänglich. Für Studenten der Museologie und der Textilrestaurierung gab es Magazinführungen. Da nach der Räumung und dem Abriss des gesamten Magazinkomplexes hinter dem Zeughaus die neuen Depots auf einem Kasernengelände in Berlin-Spandau noch nicht eingeräumt sind, kann die Fahnensammlung momentan nicht besichtigt werden. Der Stand vor 1996 wird jedoch wieder angestrebt. Nicht nur wegen der politischen und militärischen Bedeutung von Fahnen und Standarten gilt es diese zu bewahren, sie wissenschaftlich zu bearbeiten, sie restauratorisch zu betreuen und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Infolge ihres Symbolgehaltes, ihrer Ornamentik und Gestaltung haben sie eine erstrangige kulturhistorische Bedeutung und künden gleichzeitig von der handwerklichen Meisterschaft der Hersteller. Sie sind Belege des Könnens und der Leistungsfähigkeit der Seiden-und Tuchhersteller, der Posamentierer, Sticker und Maler.

Im September 1990 ist das MfDG aufgelöst worden und die Sammlungen wurden in dem seit 1987 im Westteil Berlins im Aufbau begriffenen Deutschen Historischen Museum (DHM) übergeben. Das DHM bekam auch die Nutzungsrechte über das Zeughausgebäude zugesprochen. Seit dieser Zeit sind u.a. die Flaggen der neuen Bundesländer angekauft worden. Weiterhin wurde versucht, noch Fahnen und Wimpel zu geschichtlichen Ereignissen der DDR zu beschaffen, die bisher nicht vertreten waren. Damit Fahnen aus der Zeit der preußischen Könige Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs II. aus der Französischen Revolution Ausstellungen und aus den Einigungskriegen in Ausstellungen für die Besucher gezeigt werden können, sind Gelder und Kapazitäten zur Restaurierung und Konservierung bereitgestellt worden, so dass gefährdetes Fahnengut der Nachwelt erhalten werden konnte.

 

Anmerkungen

 

 

(1)  Zu den Architekten zählen: Johann Arnold Nering, Martin Grünberg, Andreas Schlüter und Jean de Bodt. Die Bauplastiken stammen von: Andreas Schlüter, Guillaume Hulot und Georg Gottfried Weihenmeyer.

 

(2)  zitiert nach: Heinrich Müller. Das Berliner Zeughaus, S. 10

 

(3)  Teile dieser Beute sind noch heute erhalten und befinden sich u.a. in der Festung Peter und     Paul (Peter-Pauls-Festung) in St. Petersburg.

 

(4)  Das bekannteste Beispiel ist die auf Anordnung Napoleons vom Brandenburger Tor entfernte Quadriga, die Blücher aus Frankreich zurückholen ließ.

 

(5)  Der als Diener verkleidete König Ludwig XVI. wurde auf seiner Flucht aus Paris von einem Postmeister erkannt, der ihn in Varennes festnehmen ließ. Für die Gefangennahme verlieh der Nationalkonvent der Stadt eine Fahne. Vgl. Farbabb. in: Bilder und Zeugnisse der deutschen Geschichte, S. 295

 

(6)  Vgl. Abb. der beiden Fahnen in: Heinrich Müller a.a.O., S. 55

 

(7)  Danebrog, wörtlich „Dänentuch“. Im Feldzug führten die zu Regimentern erweiterten      dänischen Infanterie-Bataillone keine Truppenfahnen mit, sondern jede Kompanie besaß zwei kleine Fähnchen, die ein weißes Kreuz auf rotem Grund zeigen und mit Ziffern und Buchstaben den Truppenteil benennen. Vgl. Farbabb. in: Bilder und Zeugnisse, Bd. 1, S. 406

 

(8)  Heinrich Müller a.a.O., S. 194

 

(9)  Truppenfahnen, die nicht mehr im Gebrauch sind, werden nach offiziellem Sprachgebrauch „niedergelegt“.

 

(10)  vgl., Hauptbestandsbücher V1, Fahnen. Brandenburgische. Preussische. 1 – 739 und 740 – 1.279, Rep. Z 507 und 508

 

(11)  Das Zeughaus wurde durch zwei Personen geleitet. Da es auch als Museum eine       militärische Einrichtung war, hatte es neben dem Direktor immer einen Kommandanten. Zur Zeit von Ubischs, war der Kommandant Generalleutnant Ernst Friedrich Ferdinand von Usedom.

 

(12)  vgl., Klaus – Peter Merta. Vom Umgang mit historischen Objekten im Berliner Zeughaus. Die Polleretzki-Standarten. In: Zeitschrift für Heereskunde, Nr. 383 Januar/März, 1997, S. 5 - 10

 

Literatur

 

Bilder und Zeugnisse der deutschen Geschichte. Aus den Sammlungen des Deutschen Historischen Museums, Band 1 und 2, Berlin 1997

 

Feldzeichen. Teil I, Das Königlich Preußische Gardekorps. Bearbeitet von Reinhold Redlin.

Teil 3 der Reihe: Die Sammlungen des Wehrgeschichtlichen Museums im Schloß Rastatt, Breisgau 1982

 

Klaus – Peter Merta. Neues aus der Berliner Zeughaussammlung – die Problematik von Kulturgutrückführungen. In: Zeitschrift für Heereskunde, Nr. 378 Oktober/November, LIX. Jahrgang 1995, S. 121 – 128

 

ders.. Vom Umgang mit historischen Objekten im Berliner Zeughaus. Die Polleretzki-Standarten. In: Zeitschrift für Heereskunde, Nr. 383 Januar/März, LXI. Jahrgang 1997, S. 5 - 10

 

Heinrich Müller. Das Berliner Zeughaus. Vom Arsenal zum Museum, Berlin 1994

 

 

Bildbeschriftungen

 

Abb. 1

Französisches Fahnengut aus der Revolutionszeit und aus den Koalitionskriegen, das von Blücher 1814 nach Preußen verbracht worden ist. Ausstellungsgestaltung um 1875

 

 

Abb. 2

Französische Trophäen aus den Koalitionskriegen und von 1813. Ausstellungsgestaltung um 1875

 

Abb. 3

Pistolenschrank mit Trophäengestaltung in einer Ausführung von Schinkel. Aufnahme um 1868

 

Abb. 4

Danbrogs der Infanterie und der Dragoner von 1864

 

Abb. 5

Fahne vom Dragoner-Regiment von Derfflinger, Kurbrandenburg 1680 – 1695 Devise „AGERE AUT PATI FORTIORA «  (Handeln oder Stärkeres dulden)

 

 

Abb. 6

Fahnen, Standarten und Fanions als Trophäen aus dem Polen-und Frankreichfeldzug im Schlüterhof des Zeughauses ausgestellt. Aufnahme von 1940

 

 

 

Abb. 7

Fahne vom Königsregiment, Preußen 1713 – 1740 durch H. Fresenius kolorierter Kontaktabzug einer Glasplattenaufnahme von 1897, die Fahne ist seit 1945 verschollen, vermutlich mit der Studiensammlung verbrannt

 

 



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